Dies ist ein Ausschnitt aus meinem Logbuch, welches ich während meiner ersten Atlantiküberquerung im Februar 2021 geführt habe. Tag 5 meines Einhandtörns von den Kanaren in die Karibik. Freitag, der 19.02. Westafrika.

08:23 Uhr, 22°12’05.3” N, 21°18’32.8” W

Ich habe meinen Rhytmus gefunden. Bin wieder um 07:50 Uhr aufgewacht wie gestern. Fühle mich gut. Bin diese Nacht früher ins Bett (22 Uhr) aber habe nach meiner leckeren Suppe wieder vorher Austin Powers geschaut und fand es diesmal überhaupt nicht lustig. Trotzdem genieße ich das Glotzen total. Ernsthaft: ich mache das sonst nie! Kann mich nicht daran erinnern, im letzten Jahr einfach mal einen Film geschaut zu haben. Ich war wohl ziemlich dauer-angespannt und mein Kopf war voll - voller Boot und Vorbereitung, voller Frust über diesen ganzen Wahnsinn da draußen und meine Mitmenschen, die mich in meinen Augen nur von meinen Plänen abbringen bzw. an der Umsetzung hindern wollten. Überall Hindernisse, Probleme und Blockaden. Jetzt und hier auf dem Weg zu sein, meinem Ziel, den Atlantik zu überqueren, so nahe zu sein, es tatsächlich zu tun - wirkt befreiend.

Jetzt hindert mich nichts mehr. Und vor allem stehe ich mir selbst nicht mehr im Weg. Bestimmt nämlich war da noch eine große Blockade in mir selbst: Zweifel, ob ich an alles gedacht und alles gemacht habe. Zweifel, ob alles gut gehen wird. Zweifel, ob das “in diesen Zeiten” sinnvoll ist. Aber ich denke so bin ich: ich schaffe es ziemlich lange mich zu quälen und hinzuhalten, dabei bin ich jedoch nicht untätig, sondern versuche an alles Wichtige zu denken und mich und Emvula akriebisch optimal vorzubereiten.

Natürlich habe ich aus allem Bruch und allen brenzligen Situationen gelernt und bin vorsichtiger geworden bzw. male mir immer den Worst Case (Kentern, Leck, Feuer…) aus und wie ich darauf reagieren würde. Mittlwerweile sind Emvula und ich eine Einheit, ich habe Vertrauen in sie. Alles wird gut gehen, nichts davon wird eintreten. Emvula wird mich schnell und sicher rüber bringen. Das fühlt sich verdammt gut und befreiend an.

08:49 Uhr, 22°10’30.1” N, 21°20’17.3” W

Sind langsamer geworden, dafür aber rollt Emvula mehr. Bislang haben wir seit Aufbruch 543 sm bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 4,9 kn geschafft - bin mehr als zufrieden. Schätze immer pessimistisch 4 kn im Durchschnitt. Es sind noch gut 385 sm bis zur westlichsten Insel der Kapverden, denke am Montag bin ich da bzw. passiere die Inselgruppe, denn ein Halt ist ja nicht geplant. Bei meinem morgendlichen Tee checke ich das Wetter: konstant zwischen 18-20 Grad Celsius, Luftfeuchtigkeit 75-80 % (morgens/abends mehr, tagsüber weniger). Gerade Wind aus NNO mit 13 kn. Im Laufe des Tages leichte Variationen zw. NNO und NO bei konstanten 10-12 kn. Nachts dann zw. 10-11 kn aus Nord. Angenehmes Schönwettersegeln also! (Und ein super Tag, um seine Wäsche aufzuhängen)

Chuckamuck - 20.000 Meilen (Album: Chuckamuck)

19:52 Uhr, 21°40’44.9” N, 21°50’36.5” W

Was für ein toller Tag! Ein bisschen langsamer bin ich nun unterwegs weil der Wind nur schwach ist. Dafür hatte ich Sonnenschein, vereinzelt und wenn überhaupt ein paar versprengte Schönwetterwölkchen. Ansonsten blauer Himmel, blaues Meer - überall. Ich habe wieder gut gekocht und gegessen (großer, bunter Salat, rote Beete Suppe, selbstgebackenes Brot mit Käse), habe die Wäsche hinter mir hergezogen zum Ausspülen (ich glaube den Tipp habe ich von Wilfried Erdmann), Wäsche aufgehangen an der Reling, habe mir Rezensionen von kleinen Booten angeschaut (auf Festplatte gefunden) und mir ausgemalt, wie es damit wäre: noch minimalistischer unterwegs zu sein…

Habe wieder die Drohne zum Fliegen ausgepackt und davor die defekten Propeller ersetzt. Diesmal lief es noch besser, allerdings hatte ich auch einmal wieder haarscharf Glück beim Landeanflug, während Emvula volle Fahrt machte. Eben habe ich mir alle Filme von heute angeschaut und mich an meinem Werk erfreut. Es war einfach nur ein toller Tag. Nur für mich, nur mit mir. Keine anderen Bedürfnisse zu befriedigen oder Regeln zu befolgen. Nur die Natur setzt mir Grenzen, die ich gern hinnehme, ja gar nicht wirklich wahrnehme. Diese Welt ist so schön, wenn man die Perspektive wechselt und außerhalb der verrückten menschlichen Welt ist!

20:10 Uhr, 21°39’42.6” N, 21°50’52.5” W

Achso: das Gequietsche der schwingenden Obstnetze ist jetzt auch weg, habe Schaumstoff als Unterlage an den Handläufen umwickelt. Die Seile, an denen die Bananen aufgehangen sind, hatten sich schon ins Holz der Handläufe geschnitten und den meisten Krach gemacht, wurden etwas nervtötend. Ja - und ganz viel gefilmt habe ich heute vom Segeln - obwohl ja praktisch nichts zu tun war weil ich ständig vor dem Wind fahre. Dennoch war mir die Butterfly-Variante mit Groß nicht geheuer, da die Wanten und Salinge das Groß vor’m Wind berühren und (es) im schlimmsten Fall anscheuern. Habe die Starkwindfock verpackt und die 15 m2 Fock an das innere Vorstag gebracht. Eigentlich wollte ich mal ausprobieren, die Fock auf Backbordseite mit dem Groß auszubaumen. Irgendwo hatte ich das mal gelesen. Den Versuch habe ich allerdings wieder abgebrochen, glaube der Baum ist zu lang. Muss mir das noch mal anschauen, wie andere das machen. Habe ja einen zweiten Spibaum, vielleicht probier ich den mal, obwohl der mir auch zu lang erscheint…

Mit 3-4 kn streift Emvula nun mit mir durch die Nacht. Es rauscht angenehm und schaukelt wenig. Wir sind ganz allein hier. Heute wieder keine einzige Begegnung mit einem anderen Schiff, auch nichts auf dem AIS. Ein guter Tag. Gute Nacht, Universum.